Der durchschnittliche Student ist 21,9 Jahre alt. Ältere Studierende drücken diesen Durchschnitt nach oben. Die Herausforderungen, welchen sie sich stellen müssen, werden mit zunehmender Lebenserfahrung jedoch nicht weniger. Im Gegenteil.
Florian Studer
Mit 35 Hebamme werden, sich als 40-jähriger Lehrer noch an einen Bachelor in Kommunikation wagen, oder sich mit 50 Jahren an der Universität einschreiben. Viele Menschen wollen sich als Erwachsene einer neuen Herausforderung stellen.
Auch jüngere Studierende kennen die Tücken des Studierendenlebens: geringes Einkommen, Lernstress und ein chronischer Mangel an Freizeit. Bei vielen Studierenden mit fortgeschrittenem Alter sind diese Verzichte noch arger. Sich darauf einzulassen braucht Mut und Durchhaltevermögen. Meistens befindet man sich auf seiner Karrierelaufbahn in einer höheren Stufe. Die Freizeit ist durch zahlreiche Verpflichtungen bereits eingeschränkt.
«Das Sozialleben aufrechtzuerhalten ist ein Ding der Unmöglichkeit», sagt eine 40-jährige Studentin und Mutter eines kleinen Jungen in der ZHAW-Bibliothek in Winterthur. «Man muss wirklich abschätzen, was einem wichtig ist im Leben.» Der Altersdurschnitt an den Fachhochschulen in der Schweiz dürfte in den nächsten Jahren wohl noch steigen. Mehr und mehr Arbeitnehmende werden nicht mehr auf ihrem ursprünglich gelehrten Beruf bleiben. Sei es, um in ein lukrativeres Berufsfeld einzusteigen, sein bereits erlerntes Wissen zu vertiefen, oder seine privaten Interessen auch im Beruf wiederzufinden.
Politik geht auf das Bedürfnis ein
Die Politik scheint dieses Interesse an Weiterbildungen bemerkt zu haben. Der Zürcher Kantonsrat beschloss im März 2015, die obere Alterslimite für Darlehensbezüge zur Finanzierung eines Studiengangs zu erhöhen. Neu ist man unter gewissen Umständen bis ins Alter von fünfzig Jahren bezugsberechtigt. Dies soll vor allem auch Wiedereinsteigern den Weg zu einer weiterführenden Schule vereinfachen.
Für viele, die sich für ein Studium interessieren, stellen die geschmälerten Einkünfte während der Studienzeit das grösste Hindernis dar. Wer sich über die Jahre an den Lohn einer Vollzeitstelle gewöhnt hat, wird seine Mühe haben, für mehrere Jahre nur noch 50 Prozent (oder weniger) arbeiten zu können. Dass staatliche Hilfe zur Finanzierung eines Studiums gefragt ist, mag damit zusammenhängen, dass sich im Internet kaum Stiftungen und Organisationen finden lassen, welche spezifisch Gelder für ältere Studierende zur Verfügung stellen.
Generationen treffen zusammen
Ein weiterer Aspekt darf auch nicht ausser Acht gelassen werden: Der Altersunterschied zu den jeweiligen Mitstudierenden. Nicht jedem 40-Jährigen wird es einfach fallen, mit 20 Jahre jüngeren Semestern den richtigen Umgang zu finden. Wie die meisten Studierenden bestätigen können: Man verbringt einen Grossteil seiner Zeit mit seinen Kommilitonen. Sei es während der Unterrichtszeit oder beim Lernen und für Projektarbeiten. Die Interessen und die Freizeitgestaltung dürften beim durchschnittlichen Mittvierziger wohl anders aussehen als beim Frühzwanziger. Für viele bietet sich dadurch die Chance, Personen ausserhalb ihres gewohnten Umfeldes näher kennenzulernen. So kann man neue Perspektiven auf den Schulstoff und das Leben erhalten.
Egal, wie steinig der Weg auch sein mag, für viele ältere Studierende wird der Aufwand im Vergleich zum Ertrag positiv ausfallen. Anders als viele jüngere Fachhochschüler wird man wohl nicht blindlings ein Studium gewählt haben und ist bereit, die Verzichte, welche ein Studium im späteren Leben mit sich bringen, zu akzeptieren.
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